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09.12.2011

Das Land Lebus - Hinter und vor der Oder

Kleine Grenzgeschichten (letzter Teil)

Über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren haben wir nunmehr in fünf Ausgaben über das „Lebuser Land“ hinter der Oder für Sie berichtet. Wir hoffen, dass es gelungen ist, Ihr Interesse und Ihre Neugier zu wecken, um Polen unmittelbar hinter der Oder besser kennen zu lernen. Natürlich war es bei allen Bemühungen nicht möglich, Ihnen im Rahmen unserer Berichte ein vollkommenes Bild dieser großen Wojewodschaft mit ihren wunderbaren Landschaften und dem größten geschlossenen Waldgebiet Europas zu vermitteln. Wir haben Ihnen die Stadt Gorzow (Landsberg a. d. Warthe) vorgestellt und Sie mit einigen der schönsten Gegenden, wie dem riesigen Vogelschutzgebiet bei Küstrin oder dem traditionellen Urlauberzentrum Lagow am See, kleinen Städtchen und Orten mit ihren traditionellen Kirchlein und Fachwerkbauten brandenburgischer Bauart bekannt gemacht.

Viele Leser haben durch uns Partnerstädte, Schriftsteller und bildende Künstler mit ihren Werken kennen gelernt. Dabei hat der kleine Verlag Bock und Kübler eine herausragende Rolle gespielt, weil es der Hartnäckigkeit und Initiative des Verlegers zu verdanken ist ,dass es nach Jahren möglich geworden war, zwei Bildbände mit Gemälden der schönsten erhaltenen Kirchlein in brandenburgischer Bauweise, der Dörfer und Städte des Lebuser Landes bei uns herauszugeben. Zahlreiche Leser haben davon Gebrauch gemacht, so einen Band oder die erste umfassende deutschsprachige Reisebeschreibung dieser Gegend in der Nachkriegszeit kennen zu lernen.

Wir konnten inzwischen mehrfach erfahren, dass unsere Informationen bei Lesern oftmals Anregungen gaben, einen kleinen oder auch größeren Trip ins benachbarte Polen zu unternehmen. Es hat sich also gelohnt, diese Thematik einmal aufzugreifen, dabei die neue Zeit und die neuen Möglichkeiten in den Beziehungen unserer beiden Länder anzusprechen. Die neue polnische Autobahn wird schon bald ab Frankfurt/Oder unsere Hauptstädte miteinander verbinden und die Wege noch flüssiger gestalten. Wir wünschen allen Lesern weiterhin viel Spaß und Freude dabei, sich mit dem Lebuser Land und seinen Menschen bekannt zu machen.

Das kleine Städtchen Lebus an der Oder

Es werden gewiss nicht wenige Leser sein, die nun erstmalig erfahren, woher dieser Name „Lebus“ überhaupt stammt, was er bedeutet und dass es auch in Deutschland bis heute ein Lebuser Land und das eigentliche „Städtchen“ Lebus gibt. Zur Beantwortung dieser interessanten Fragen findet man in Wikipedia (freie Enzyklopädie) nachfolgende Antwort: „Das Land Lebus (auch Lebuser Land) ist sowohl eine eiszeitliche Hochfläche als auch eine historische Kulturlandschaft beiderseits der Oder. Der westlich der Oder gelegene Teil gehört heute zu Brandenburg und der östlich davon gelegene Teil zur polnischen Wojewodschaft

Lebus.“ Der Name Lebus selbst kommt von der Stadt Lebus, die ihr Stadtrecht bereits um 1226 erhielt und von einem Burgring umgeben war. Um diese Zeit etwa taucht der Name erstmalig auf. Das Land Lebus war damals im Besitz des gleichnamigen Bistums, das seinen Sitz in Lebus hatte. Bis ins 12. Jahrhundert blieb dieser östliche Teil unter polnischem Einfluss. Erst um 1600 war diese Region fast ausschließlich deutschsprachig. Die heutige Wojewodschaft Lebus (Wojewodztwo Lubuskie) sieht sich mit dieser Namensgebung in einer historischen Tradition mit dem mittelalterlichen Land Lebus.

Für die Umgebung der deutschen Stadt Lebus (an der Oder etwa 10 km nördlich von Frankfurt/O) bzw. das Amt im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg hat sich der Begriff „Land Lebus“ bzw. Lebuser Land bis heute so erhalten. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges 1945 wurde Lebus bei Kampfhandlungen fast völlig zerstört und in den Jahren1950/60 wieder aufgebaut. Das einst so geschichtsträchtige Städtchen ist heute ein etwas abgeschiedener Ort an der Oder. Erwähnenswert sind hier bis heute der frühere Burgberg, der Schlossberg und der Turmberg. Ein 550 Meter langer und bis zu 100 Meter breiter Bergrücken, der etwa im Jahre 1000 als Wehranlage ausgebaut wurde und in vor- und frühgeschichtlicher Zeit als eine fast uneinnehmbare Festung galt. Das ist dort, wo im Frühjahr teppichartig die beliebten Adonisröschen blühen. Beides ist einen Besuch- und ihre Aufmerksamkeit wert. Übrigens, man erreicht den Ort über die Bundesstraßen 112 und die 167 bzw. den Autobahnanschluss Frankfurt/O.

Das Oderbruch

Die markanteste und eindrucksstärkste Landschaft an der deutschen Oderseite (im Lebuser Land) ist für mich das Oderbruch. Es hat eine außergewöhnliche und abwechslungsreiche Geschichte hinter sich, ohne deren Minimalkenntnis man diesen märchenhaft schönen Siedlungsstreifen in seinem Wesen nicht recht verstehen und begreifen kann. Der erste ganztägige Besuch liegt bei mir etwa 6 Jahre zurück. Noch immer habe ich die vielfältigen Erlebnisbilder und Eindrücke lebendig vor mir. Meine Zeilen sollen nur als kleiner Anreiz gelten, diese Gegend einmal zu besuchen und kennen zu lernen, denn es ist von Berlin aus geeignet als Tagesausflug.

In seiner Gesamtheit erstreckt sich das knapp 60 km lange und 12 - 20 km breite Oderbruch zwischen den Städten Bad Freienwalde im Nordwesten und Lebus im Südosten. Nach der Oder ist die Warthe ihr größter Nebenfluss. Sie mündet etwa 10 km nach ihrem Eintritt ins Oderbruch in die Oder ein. Zwischen Reitwein und Hohensaaten umfasst das Oderbruch eine Gesamtfläche von 920 Quadratkilometer. Das heutige Landschaftsbild wurde durch die Begradigung der Oder im 18. Jahrhundert geprägt. Die Trockenlegung dieses Feuchtgebietes erfolgte im Wesentlichen zwischen 1747 und 1762 in der Regie des preußischen Königs Friedrich II. Als Dank für seine Initiative und die veranlasste Trockenlegung steht heute in Letschin sein Denkmal. Wie geplant lagen schon kurze Zeit danach große Gebiete in der alten Oder trocken und konnten besiedelt werden. 130.000 Morgen (32.500 ha) fruchtbares Ackerland waren dadurch gewonnen worden.

Da, wo noch wenige Jahre zuvor gefährlich nutzloses Feuchtigkeitsgebiet war, begann die planmäßige Besiedlung bereits 1753 mit neu angelegten Straßendörfern. Als erster angelegter Ort gilt Neulietzegöricke – heute ein Ortsteil der Gemeinde Neulewin, die inzwischen als Dorfanlage unter Denkmalschutz steht. Viele solche Orte, die aus der Zeit der Besiedlung stammen, erkennt man an einem Ortsnamen der mit Neu… beginnt. Und weil wir gerade bei den neuen Siedlungen und Häusern sind, möchte ich auf eine weitere Besonderheit der Besiedlungsidee aufmerksam machen. Die neuen Siedler wurden gezielt außerhalb

von Preußen mit vielen Vergünstigungen angeworben. Sie kamen aus Hessen, Mecklenburg, Zweibrücken in der Pfalz, aus Sachsen und Württemberg, aber auch aus Niederösterreich und der Schweiz. Dazu kamen zahlreiche Umsiedler aus dem Umland, das damals die Neumark war. So konnten zahlreiche erfahrene Bauern und Handwerker mit ihren Familien ein neues zu Hause finden und das fruchtbare Land bestellen.

Bis heute erinnern die unterschiedlichen Baustielarten der Häuser daran, woher die ersten Bewohner kamen. Es lohnt sich daher, in einzelnen Orten neugierig die kleinen Heimatstuben aufzusuchen und nach netten Episoden von damals zu stöbern. Es gibt sehr viel zu entdecken. So haben die Orte meist ungewöhnliche Ortsnamen. Es gibt noch sogenannte Altdörfer wie Altwriezen und Kolonistendörfer z.B. Neulewin oder die Loose-Höfe, die ab 1780 im gesamten Oderbruch durch Verlosung entstanden sind. Es gibt heute in „Güstebieser Loose“ seit Oktober 2007 an historischer Stelle wieder eine sehr preisgünstige Fähre über die Oder, die den deutschen mit dem polnischen Teil des Oderbruchs verbindet. Sie ist von April bis Oktober in Betrieb. Auch das Freilichtmuseum in Altranft ist eine wunderbare Adresse.

Es gibt auch zahlreiche Wasserwanderwege mit Bootsausleihe und den Oderradweg auf dem Oderdamm. Auch hier lohnt ein Blick ins Internet, um weitere Sehenswürdigkeiten im Oderbruch ausfindig zu machen. Wer im Oderbruch ein Quartier sucht, der findet im Schloss in Gusow einen guten Platz. Unter einem Dach sind hier Hotel, Restaurant und Museum vereint. Hier findet man auch das erste Zinnfigurenmuseum der Länder Berlin und Brandenburg. Besonders interessant sind auch die Zeiten der Vogelzüge und das Frühjahr mit den teilweise gefluteten Poldern. Im kalten Winter ist die zugefrorene Oder eine einzigartige Motivoase für Fotoamateure und Profis.

Ein einmaliges Kultur- und Kunsterlebnis findet man im Oderbruch im Dorf Zollbrücke, das Theater am Rand. Es liegt sozusagen wirklich am östlichsten Rand Deutschlands, wenige Meter vor der Oder. Der spezielle Charakter der Landschaft diktiert die Spielregeln für das Theater. Zuerst gab es nur ein ganz kleines hundertjähriges Fachwerkhäuschen. In einem Satz heißt das: Einfachheit, Professionalität, Handgemachtes, mehrfach umgebautes Theater, das von zwei bekannten Schauspielern betrieben wird. Zuerst gab es nur eine Stube für 32 Gäste. Heute werden bis zu 200 Gäste ins neue Haus geholt. Das Dach wird von geschälten

Eichenstämmen getragen. Die Schrägheit der Konstruktion, seine Offenheit verweisen auf die Ästhetik der Geschichten. Hier gehen widerständige Natur und Kunst eine einzigartige Symbiose ein. Erzählt werden hier Menschen-Geschichten dieser Welt und ihrer Regionen. Der Zuschauer zahlt, was ihm das Kunsterlebnis wert ist. Er entscheidet selbst. Regulärer Eintritt also erst bei Austritt.

Es gäbe noch sehr viel von so einem Erlebnistag im Oderbruch zu erzählen. Vielleicht möchten Sie dies aber in nächster Zeit viel lieber selbst einmal erleben. Ich wünsche es Ihnen.

Quelle: Claus Plobner

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